Firmenschilderwald – Teil 2

Versuch einer Typologie

Momentan besteht eine große Unsicherheit bei Aufstellung einer Typologie in den fehlenden Daten zu exakten Dimensionen der Schriftzüge und Plaketten. Leider konnten bislang nur wenige Instrumente persönlich in Augenschein genommen werden, da sie über das Gebiet der Bundesrepublik, sogar Europas und in Teilen weltweit verstreut zu finden sind.

Verständlicher Weise vollziehen Besitzer nicht immer den Zweck unseres Anliegens nach, wenn wir Anfragen zu Schriftzügen, Logos, Bauweisen, Seriennummern und Mechanikherstellern stellen.

Typ VII – Gruppe 1

Den Einstieg in Typ VII bildet eine plakettenartige Intarsie aus Messing und Holzfurnier. in einem längsrechteckigen Rahmen, gezogen von schmalen Messinglinien sitzt in zwei Zeilen die Schrift „Th. Mann & Co. / Bielefeld.“ Hierbei fanden abermals zwei unterschiedliche Schrifttypen Einsatz. Während «Bielefeld», ausgestattet mit einem Endpunkt in serifenlosen Antiquamajuskeln gesetzt wurde, präsentiert sich «Th. Mann & Co.» in einzeln abgesetzten Gruppen in einer kursuven kalligrafischen Schreibschrift.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle das «M», welches aus einer links geschwungenen Volute von unten entwickelt wird und deren obere Enden spitz umbrechen. „Th.“ und „Co.“ verfügen über Abkürzungspunkte und sämtliche Großbuchstaben weisen geschwungene Eingangs- und Ausgangsbögen auf. Innerhalb der Letterngruppen sind die einzelnen Buchstaben miteinander verbunden. Das „o“ in der Companie-Abkürzung ist wie zuvor mittig hochgezogen und der Abkürzungspunkt mittig untergestellt.

Schriftzug auf Klavier mit der Seriennummer 11790 aus der Zeit zwischen 1901 und 1908.

An den zugänglichen Beispielen dieses Typs fallen die unregelmäßig gesetzten Lettern auf. Besonders deutlich wird dies am «Bielefeld.», wo die einzelnen Lettern nicht immer regelmäßig zueinander stehen und auf der Grundlinie aufsitzen.

Dies legt die Vermutung nahe, dass zu diesem Zeitpunkt ein noch rein handwerklicher Prozess war.

Varianten
Typ VII – Gruppe 1 a

In leichter Variation findet sich der gleiche Schriftzug, aber ohne Messingrahmen auf schwarz gefassten Klavieren eingesetzt.

Schriftzug auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer.

Typ VII – Gruppe 2

In der zweiten Gruppe, deren Schriftsatz beinahe deckungsgleich mit dem aus Gruppe 1 ist, sind Buchsteben und Wörter miteinander verbunden. Des Weiteren sind die oberen Enden des «M» rund gebogen und das «o» der Companie-Kürzung läuft in einer Art Flatterband aus, das nach unten gebogen als Unterstreichung des Firmennamens der Leserichtung entgegen ausläuft. Die Ortsbezeichnung, sofern vorhanden, wird nun in einer Serifen-Antiqua gesetzt.

Hinsichtlich der Aufsatzform lassen sich zwei Variantengruppen unterscheiden: (a) Handgeschnitzte und (b) mit Messing ausgelegte Schriftzüge. Sie unterscheiden sich kaum im Schriftsatz und folgen sogar Gestaltungsvarianten in Parallele zueinander. Dennoch gibt es einen wesentlichen und einen sekundären Unterschied. Variantengruppe (a) weist ein im Abstand über der Grundlinie stehendes «o» auf, während in (b) alle Lettern konsequent auf einer Linie liegen. Sekundärer Unterschied besteht einzig darin, dass in allen bisherig bekannten Beispielen der Gruppe (a) die Ortsbezeichnung fehlt. In Gruppe (b) fällt dieser Zusatz erst in späteren Ausprägungen weg.

Variantengruppe (a)

Die geschnitzte Variante taucht ungefähr im Bereich der Seriennummern 12.000 bis 15.000 auf und wechselt sich in dieser mit Messingvarianten ab. Erstere zeichnet sich durch drei Fassungen aus, die sich nur marginal durch Punktsetzungen und ihre Auslassung nach «Th» und «Co» manifestieren.

Handwerkliche Unterschiede finden sich in der Form, wie Bögen geschlagen werden, oder in welchen Weite einzelne Linien oder Buchstaben zueinander stehen. Dies scheint nicht für die Punktsetzungen zu gelten, da sich in frühen Beispielen ein runder Abkürzungspunkt am «Th.» finden lässt, währen in späteren Fassungen dieser in einer sich nach unten verjüngenden Kommaform wandelt.

Hervorzuheben sind die mittig zwischen den Buchstaben spitzwinklich umgebrochene Verbindungslinie zwischen «&» und «Co.» und die volutenartige Dekoration des «T», welche das untere Ende des Vertikalbalkens mit dem linken Ansatzpunkt des Horizontalbalkens. Letztere weist eine stumpfwinklige mittige Brechung zwischen zwei geschlagenen Schlaufen auf, die selbst unterschiedlich gestaltet sind. Die untere Schlaufe ist eher rundförmig und von ihrem Ansatzpunkt nach unten gerichtet, während die obere leicht oval und nach rechts gerichtet ist. Hierin findet sich eine Unterscheidungsmerkmal zu späteren Messingvarianten.

Schriftzug von Klavier mit Seriennummer 12318.
Geschnitzter Schriftzug auf Klavier mit Seriennummer 14275.
Variantengruppe (b)

In der Messingvariante zeigt sich eine auffällige Entwicklung. Irgendwo zwischen Seriennummer 18050 und 18306 (um 1920) wurde entschieden, das untergestellte «Bielefeld» auszulassen. Um 1910 (vor Seriennummer 16744) entfällt bereits der Punkt nach dem «Bielefeld» – wobei bereits zuvor mit Seriennummer 14291 ein Klavier existiert an dem dieser Punkt nicht auftaucht, und nach ab Seriennummer 14327 alle bekannten Messingschriftzüge mit einer schleifenartig dekorierten Verbindungslinie zwischen «&» und «Co.» ausgestattet wurden.

Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten dieser Gruppe finden sich in der Weise, wie die linksseitige Dekoration des «T» geformt ist. Sie schwankt zwischen einer stumpf- und spitzwinkligen Variante, bis sie ab spätestens Seriennummer 14327 konsequent spitzwinklig umgesetzt wurde.

13978
14291
Stutzflügel mit der Seriennummer 16750.
Sonderform Typ VII 2 (b)

Eine ungewöhnliche Variante findet sich auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer. Sie folgt im Schriftschnitt weitestgehend dem Typ VII. Einziger Unterschied besteht darin, dass statt des Firmennamens „Mannola“ genutzt wurde. Das «M» beginnt dabei mit einer rechtsgedrehten Volute.

Bezug nimmt dies auf einen, vermutlich in den 1920er Jahren eingetragenen Markennamen „Mannola“, verzeichnet im von Karlheinz Engel 1933 in Hamburg herausgegebenen Band Deutsches Markenartikel-Adreßbuch.

Typ VIII

Dieser Typ ist eine Ausnahmeerscheinung inmitten der Ausprägungen von Typ VII. An zwei Instrumenten, einem Flügel mit der Seriennummer 17090 und einem Klavier mit unbekannter Seriennummer taucht eine serifenlose in Majuskeln gesetzte Grotesk als Schriftsatz für den Firmennamen auf.

Die beiden bekannten Beispiele unterscheiden sich sogar in einigen Punkten. So zum Beispiel in der Breite der Buchstaben und ihren Formen – in einem Fall sind die äußeren Linien des «M» schräg nach innen gestellt und im anderen Fall senkrecht. Das «A» untescheidet sich in der Ansatzhöhe des horizontalen Querbalkens.

Flügel mit der Seriennummer 17090.
Klavier mit unbekannter Seriennummer.

Bei allen Unterschieden und Kontinuitäten oder Diskontinuitäten muss immer mit berücksichtigt werden, dass Th. Mann & Co. in den im Stadtarchiv Bielefeld verfügbaren Katalogen stets auf die Möglichkeit hinweisen, ein Klavier nach Kundenwunsch zu fertigen.

Weitere Recherchen und Forschungen werden vermutlich Klarheit bringen. Noch immer dürften in den Stadtarchiven von Detmold, Rinteln, Gütersloh, Herford und Paderborn, sowie anderen Spezialarchiven (z.B. Wirtschaftsarchiv) Funde zutage zu fördern sein, die Aufschluss über die Produktionsbedingungen und -Prozesse liefern. Auch die weithin noch existierenden Instrumente in öffentlichen Sammlungen und Privathaushalten lassen hoffen, als Forschungsobjekte erfasst und obige Liste zu vervollständigen.

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Demontage von Historischem – Teil 1

Da wir bereits einen Flügel der Firma Th. Mann & Co. von 1911 und ein Klavier der Vorgängerwerkstatt C.W. Volkening aus der Zeit vor 1858 unser Eigen nennen dürfen und der Platz begrenzt ist, liegt wohl nichts näher, als der Verzicht, weitere Großmöbel anzuschaffen.

Dennoch nutzten wir die Gelegenheit des Erwerbs eines Th. Mann Klaviers, das im Bielefelder Raum für geringes Entgelt angeboten wurde. Bereits seit geraumer Zeit dachten wir über die Möglichkeiten nach, den Eisenrahmen eines Klaviers als Garderobe nutzbar zu machen und seinen Resonanzboden zu einem Tisch umzuwidmen. Dazu bot sich ein Mann-Klavier an, das aufgrund seines Zustandes nur mit enormem Aufwand wieder spielbar gemacht werden könnte. Voraussetzung war zudem, dass es ungefähr zur gleichen Zeit produziert wurde wie unser Flügel, damit der Eisenrahmen mit demselben Markenlogo ausgestattet sei.

Durch Zufall entdeckten wir auf einer Online Kleinanzeigenplattform ein in den äußeren Bezirken von Bielefeld untergebrachtes Klavier, das diesen Anforderungen entsprach. Es stand seit geraumer Zeit in der Garage eines mittelständischen Unternehmens und war Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit ausgesetzt. Der Zahn der Zeit nagte an dem Instrument: Resonanzboden und Basssteg weisen Risse auf. Die Filze der Hammerköpfe sind bereits stark in Mitleidenschaft gezogen und der Lack zeigt Spuren notdürftiger Überarbeitung. Die originalen Tastenbeläge sind lose und lückenhaft. Viele Tasten klemmen und die Hammerköpfe geben beim Anschlagen einen stark verstimmten Ton wieder.

Der Vorbesitzer berichtete, dass er das Klavier vor bereits mehr als 20 Jahren von einer städtischen Bielefelder Einrichtung bezogen hatte. Seither konnte diesem nur wenig Aufmerksamkeit zuteil werden.

Dank tatkräftiger Unterstützung war das Klavier schnell auf Rollbrettern befestigt und mittels Laderampe im geliehenen Transporter festgezurrt. Ebenso schnell war es am Zielort ausgeladen und in der provisorischen Werkstatt verstaut.

Wie ein Archäologe Schicht für Schicht das Erdreich abträgt, um den historischen Spuren und ihren Veränderungen auf den Grund zu gehen, wollen wir dieses historische Objekt in seiner Bauweise erfassen, um Rückschlüsse auf die Produktionsbedingungen und -Prozesse der Fabrik um das Jahr 1911 zu erhalten.

Bereits die erste Inaugenscheinnahme brachte zahlreiche Informationen hervor. In dem Eisenrahmen ist, unterhalb des Markenlogos zwischen Bass und Diskant die Produktionsnummer 16895 eingelassen. Auf der Rückseite finden sich auf einem Rastenbalken die Zahl 155 eingeprägt und an einer Leiste seitlich des Resonanzbodens die Zahl 171 aufgemalt. Die weiteren Untersuchungen sollten zeigen, dass viele Bauteile mit Ziffern versehen sind.

Eine genauere Betrachtung der Rückseite zeigte, dass die vertikalen Rastenbalken schichtweise aus zwei Balken verleimt wurden. Dabei scheint es so, als wären sie ungleichmäßig dick und nachträglich angepasst worden.

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