Anatol: Literaturverzeichnis – Teil I

Müller, Johann Heinrich (1978): „Zur Ausstellung“. In: Katalog Hagen (1978): Anatol; Ergebnisse 64 – 78. Hagen: Karl Ernst Osthaus Museum, o.S.

Zunächst betont J.H. Müller die Produktivität Anatols und die Unmöglichkeit einer vollständigen Retrospektive, um dann auf die Person Anatol und dessen Image einzugehen: er bestimmt ihn als Polizisten und Beuys-Schüler sowie „Berserker unter den rheinischen Aktions-Künstlern“. Hervorgehoben werden Anatols Arbeiten im Öffentlichen Raum, seinen Anspruch, Menschen zum Anfassen und Mitmachen zu bewegen und die Neigung Aktionen in Feste übergehen zu lassen, und dass vieles durch Fernsehteams aufgezeichnet wurde. Dadurch, so Müller, fallen Barrieren zwischen Kunst und Alltag. Anatol wird aufgrund der Außenperspektive laut Müller als Aktions- und nicht als Objektkünstler gesehen. Es folgt ein Passus zur Ausstellung; Anatol führte Arbeitszeiten („Arbeitszeit-Demonstrationen“) durch, zu denen Müller berichtet, dass sie „authentische, vom Künstler selbst praktizierte Kunstvermittlungen“ und „keine Selbstdarstellungen oder gar grenzüberschreitende ‚kunst-transzendente‘ Prozesse“ sind. Darin schwingt ein Abgrenzungsversuch gegenüber anderen Aktionskünstlern zu, die Kunst und Leben gleichsetzen, wogegen Anatol Kunst als Arbeit sieht, beides als schöpferischen Prozess. „Anatols Aktionen sind also nicht selbstbezogen, sondern begleiten die Entstehung der jeweiligen Objekte, als deren unmittelbarster Kommentar.“ Abschließend stellt Müller die Werke Anatols als eigenständige Kunstwerke und nicht Relikte dar und grenzt sie zugleich gegen Atelierkunst ab.

Boetzkes, Manfred (1984): „Von der Einheit von Kunst und Arbeit“. In: Katalog Hildesheim (1984): Anatol; Bilder 1979 – 1984. Hg. von Manfred Boetzkes. Hildesheim: Roemer- und Pelizaeus- Museum, S. 3-5.

Der Text steigt mit einem Kommentar zur Ausstellung und Werkauswahl ein. Anatol wählte sie aus und fotografierte sie in Form von „‚Tatortfotos‘ des Polizisten Anatols“ (S. 3). Anschließend benennt Boetzkes die großen, aus grobem Holz gefertigten Bilder als „Bretter-Bilder“ (S. 3). Es folgt eine Charakterisierung Anatols als „Mißachter von Moden des Kunstmarkts“, eine Aufzählung von Berufen (Schmied, Boxer, Polizist) und eine Betonung des Doppellebens als Polizist und Künstler. Boetzkes zitiert JH Müllers Beschreibung „Berserker“ und fügt ein „fröhlich“ an. (Zeichnungen Anatols zeigen Klärung und Selbstfindung nach Tod Heicos an) Boetzkes schreibt, wie Anatol hinsichtlich des Prozesshaftem seiner Kunst nicht zu unrecht als Aktionskünstler abgestempelt war. Es folgt eine historische Beschreibung der Nähe zur Happening- und Fluxuskunst und eine gleichzeitige Abgrenzung vom „Fatum des Transitorischen und einem voraussehbarem Ende als Medienkonserve.“ (S. 3) Wichtig ist Boetzkes die Abgrenzung Anatols Kunst von anderen Positionen. Er beschriebt diese als „handfest“ und den Prozess zu diesen als „körperliche Arbeit“ und deren Ergebnisse mit Verweis auf JH Müller als „genuine Kunstwerke“. Vor allem betont wird die Emanzipation gegenüber Beuys durch den Arbeitszeitbegriff, „der der eher metaphysischen Einheit von Kunst und Leben bei Beuys die in persönlichem Handeln eingelöste ganz zu konkret und wörtlich gemeinte Gleichung Kunst ist Arbeit, Arbeit ist Kunst entgegensetzt“ (S. 3). Hieraus wird eine Position Anatols gegen die Entfremdung von Arbeit und Bedrohung menschlicher Existenz formuliert. Konsequent, so Boetzkes, belebt Anatol Zivilisationsschrott und verweist auf die Bretter-Bilder und beschreibt sie als „Mahn- und Angstbilder“ (S. 4). Boetzkes verweist zum Abschluss auf die Spontaneität und Poetik seiner Arbeiten, die archaisch erscheinen und zugleich eine aktuelle Motivik enthalten. Abschließend verneint Boetzkes, eine Naivität in Anatols Kunst, welche zwar einfache Fragen stellt, aber keine einfachen Antworten liefert (S. 5).

Mai, Ekkehard (1984): „Anatol – Skizze zur Person und Werk-Arbeit“. In: Katalog Hildesheim (1984): Anatol; Bilder 1979 – 1984. Hg. von Manfred Boetzkes. Hildesheim: Roemer- und Pelizaeus- Museum, S. 7-15.

Eingangs schließt Mai das Leben mit Erleben kurz und stellt heraus, wie sehr die Begegnung mit Anatol lebendiges, vitales vermittelt und wie stark er sich begrifflichen Vereinnahmungen entzieht. Dennoch stellt Mai Anatol zwischen „homerischem Gelächter“ und Lebensmoral (polternd und sinnenhaft zugleich) und bescheinigt ihm, kein Künstler sein zu wollen, sich nicht zu verstellen, aber klischeehafter Ostpreuße zu sein. Es folgt eine Aufstellung Anatols Interessensbereiche, die eigene Zeit und Zukunft, sowie gesellschaftliche Verantwortung. Auffällig ist die Beschreibung der äußeren Erscheinung und die nachfolgend gegebene Aufzählung der Eigenschaften Anatols. Hervorgehoben wird durch Erwähnung von Wandbehängen seines Ateliers die Erinnerung und das Persönliche als Leitgedanken Anatols. „Es sind von vornherein Materialien, die schon etwas sind, ehe sie etwas werden, vor allem ‚machen‘ sollen.“ Damit bezieht sich Mai auf die wiedergenutzten Materialen mit Vergangenheit. Hier wird wieder das Polternde Anatols erwähnt; nun im Zusammenhang mit seinem Zorn über gesellschaftliche Verhältnisse, die ihn zu Bildproduktionen anregen. Anatols Kunst wird durch Mai als Handwerk bezeichnet. Sein Kunstwollen als Wusch zu erzählen, zu konservieren und Bilder zu zeigen. Machen und Mensch stehen hierbei im Zentrum. Mit seiner Kunst möchte Anatol Halt geben, die Veränderungen mal anhalten. Die Bilder entspringen Begegnungen mit Menschen, Orten und Schriften. Ursprung in Ostpreußen, der Heimat und Begegnung mit dem Norden, der Brücke. Das geht einher mit einer Ablehungn von Konventionen, wie es auch Beuys lehrte. Folgend versucht Mai Anatol gegen Beuys abzugrenzen, indem er ausführt, wie wenig Anatol mit „einer Mystik der Inhalte, mit dem stilisierten Fetischismus des Materials, mit Symboltranszendenz und anthroposophisch-politischer Ambition“ anzufangen weiß.

Peters, Ursula (1987): „Präsenz der Zeitgenossen“. In: Katalog Nürnberg (1987): Anatol; Arbeitszeit »Das Bleihaus«. Präsenz der Zeitgenossen Bd. 11. Hg. von Gerhard Bott. Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum, S. 5-11

Der Text bietet eine kulturgeschichtliche Perspektive und beginnt mit einem Rückblick auf eine vergangene Ausstellung des Nationalmuseums, in welcher Flugblätter des 16. Jahrhunderts ausgestellt wurden, die natürliche Phänomene als göttliche Botschaften und Mahnungen an die Menschen zur Besserung thematisierten. Anschließend wird die Technik der Neuzeit im Kontext der Natur, mit Hinblick auf die Tschernobyl Katastrophe kritisch begutachtet und wiederum in einen historisch-religiösen Kontext eingebettet: Anmaßung und Selbstüberschätzung des Menschen. (S. 5-6) Mit Fokus auf die Arbeitszeit Anatols bezeichnet Ursula Peters seine Intention als „ein Überdenken der »Unternehmungen« des Menschen.“ Es folgt eine Interpretation von Anatols Konzept der Arbeitszeit. Peters sieht es in der Happening- und Fluxusbewegung der 1960er und 70er Jahren verwurzelt. Sie stellt das Schöpferische und Kreative im Arbeitsprozess heraus und betont den Ansatz des Mitarbeitenden bei Anatol. Dies stellt sie sofort in Bezug auf die Aktion im Bleihaus, bei welcher Anatol Bilder mit einem Computer erstellt; Peters sieht hierin die Doppelnatur der Nutzbarkeit von Technik als positiv und negativ. Sie stellt die Arbeitszeit in den Kontext einer Lösung für das maßvolle Handhaben von Technik (S. 10). Durch ein Zitat Michel Ruepps bringt Peters eine Überzeugung Anatols zum Ausdruck, dass in der Natur ein schöpferischer Prozess existiert. Der Einsatz von Blei schließt den Text ab. Sein Einsatz wird als „schützende Hülle“ gesehen und das Erdige und die schützende, wie giftige Natur dieses Metalls herausgestellt. Anatols Kunst steht hier zwischen christlichem und antik-mythologisch-alchimistischem Weltbild.

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