Ist das Kunst, oder kann das weg?

Die Veröffentlichung von Rammsteins »Deutschland« Song liegt bereits einige Zeit zurück. Doch erst jetzt wurde ich durch eine Besprechung auf YouTube wieder auf dieses Lied und das zugehörige Musikvideo aufmerksam. In Jenem wird das Statement gebracht, dieses Musikvideo sollte Teil des Geschichtsunterrichts sein.

Das kann man machen, um den sonst eher drögen Geschichtsunterricht auflockern zu wollen, doch ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen und Analysewerkzeug kann man dann wenig mit dem Song in einem Unterrichtsrahmen anfangen. Und genau da beginnt das Video austauschbar zu werden. Es ist kein Glanzstück und gewiss nicht das einzig denkbare musikalische oder visuelle Stück, das im Geschichtsunterricht einsetzbar ist.

Jedoch krankt vor allem die Besprechung des Funk-Ablegers »Mr Wissen 2 Go« an zahlreichen Ecken. Die Oberflächlichkeit dieser „Analyse“ stellt sich selbst in Konkurrenz zu Rammsteins »Deutschland« Song und Video.

Das beginnt schon mit so auffälligen Patzern, bei Rammstein würde die Varusschlacht gezeigt. Die zeitliche Einblendung »16 AD« bezieht sich direkt auf die Germanicus-Feldzüge und nur indirekt auf die Varus-Niederlage. Aber letztlich hätte man an dieser Stelle bereits auf die Trennung von faktischer Geschichtsschreibung und Erinnerungskulturen hinweisen müssen. Die Einheit der germanischen Stämme war von kurzer Dauer und die Präsenz römischen Militärs östlich des Rheins war bis weit in das 2. nachchristliche Jahrhundert gegeben.

Die Erhebung der Varusschlacht zur Geburtsstunde »Deutschlands« fand erst im 19. Jahrhundert statt; obgleich etliche Autoren bereits zuvor sich dieses Themas annahmen. Dies ging zeitlich einher mit einer Reichsgründungsbewegung und dem Erstarken eines Nationalbewusstseins ab der Zeit napoleonischer Besetzung von Friesland, dem Rheinischen Bund, Preußen, Westfalen etc. pp. Erst hier konstituierte sich nach und nach ein retrospektiv konstruiertes Bild von einer Einheit Deutschlands und der damit verbundenen Geschichte, die auf Arminius zwecks Herrschaftslegitimation zurückgeführt wurde.

Und dies stellt den entscheidenden didaktischen Punkt dar. Dieses Mittel zur Legitimation von Herrschaft findet sich an zahlreichen Stellen der Weltgeschichte umgesetzt. Bereits die römischen Herrscher führten ihre Macht auf irgendwelche historischen Persönlichkeiten, Götter oder Schlachten zurück. Das öffentlichkeitswirksame Mittel war das Bild.

In Form von Münzen, Denkmalen und Schriftstücken zementierten sie ein fiktives Geschichtsbild, das bei genauer Betrachtung hauptsächlich politische Propaganda darstellt.

Leider treten auch Rammstein in genau diese Falle. Sie bedienen sich einem Potpourri an Bildfragmenten und Symbolen, die teils aus dem Kontext gerissen und teils in einen gefährlichen Zusammenhang gesetzt werden.

Besonders auffällig ist die Hinrichtungsszene des Musikvideos, in welcher die Rammstein-Musiker in KZ-Kleidung, die mit entsprechenden Häftlingszeichen versehen sind. In der Besprechung des Videos wird hier die sorgfältige historische Recherche hervorgehoben und gelobt. Doch vermieden wird, darauf hinzuweisen, was das Aufblenden dieser Zeichen auf die Personen, also die Bandmitglieder impliziert. Es sind keine Schauspieler, die eine Charakterrolle mimen. Die Musiker selbst werden hier und in anderen Szenen zu Opfern stilisiert. Sie sind Opfer der Römer, Gefallene auf einem Schlachtfeld, Häftlinge in einem Gefängnis. Zwar finden sich auch andere Szenen, in denen die Musiker Täter zu sein scheinen, doch sind diese in der Unterzahl.

Im Schnittrausch der abgehackten Szenen oszilliert das Video Rammsteins zwischen historisch gut recherchierten Elementen und plakativen Szenen, wie dem grotesken Bankett. Doch wird niemals klar oder erklärt, welche Szenen historische Fakten und welche Szenen der Bildsprache von Erinnerungskulturen entspringen und welche Bedeutungen und historischen Dimensionen diese wiederum haben.

Die Rammsteinmusiker stilisieren sich als Opfer von Staaten. Sie sehen sich wohl selbst bereits als Inkarnation von Deutschland, getreu dem Wutbürgermotto: „Wir sind das Volk“.

Das Musikvideo bedient sich zahlreicher unterschiedlicher Ästhetiken – das emotionslose martialische Gebaren wird pointiert in einem ZEIT-Online Artikel dargelegt. Es möchte mehr sein, als es ist und doch verblasst es neben bildgewaltigen Beispielen der Film- und Medienkunst. Die öffentliche Kritik an Song und Video ist einleuchtend und steht symptomatisch auch selbst für unsere Gegenwart, die noch immer mit der eigenen jüngsten Geschichte hadert. Die beständige Diskussion über Vergangenes zur gewinnbringenden Arbeit an der Zukunft im gleichheitlich-demokratischen Grunddenken ist notwendig, aber gewiss nicht an einem Rammstein-Video. Es ist, wie das Lied, einfach nichts Besonderes.

Aber die Zeit wird zeigen, ob das Stück auch in 20, 50 oder 100 Jahren noch wirken kann.

Etwas irritierend wirkte auf mich eine Szene auf halbem Weg durch das Video. Sie geht unter in den zahlreichen Schnitten und doch lauert in ihr ein gefährliches Bild. Die eben noch zum Tode verurteilten KZ-Häftlinge umzingeln, bewaffnet in einer Art Rückschau drei Nazi-Offiziere. Ein erster Impuls ließ mich den Gedanken an eine Dolchstoßlegende fassen. Doch bei genauer Betrachtung stehen die übrigen NS-Soldaten ruhig und gelassen in einem äußeren Kreis ohne zu intervenieren. Hier könnte man ein ganz konkretes Geschichtsbild der Nachkriegszeit sehen, das die Schuld der Weltkriegsverbrechen allein in der Führungsriege sah. Nicht umsonst konfrontierten die 68er ihre Eltern mit der eigenen Vergangenheit. Aber das akademische Thema »Kollektivschuld« wäre ein eigenes Kapitel. Wichtig ist aber zu erwähnen, dass dieses Thema fester Bestandteil rechter Rhetorik darstellt. Letztlich konnten die NS-Verbrechen nur geschehen, weil die große Mehrheit schwieg.

Gerade für diese Szene müssen sich Rammstein den Vorwurf der Fahrlässigkeit gefallen lassen. Das Video ist mitnichten so gut recherchiert, wie manch einer sehen möchte.

Für eine umfassende Besprechung reicht ein geschichtswissenschaftlicher Blick alleine nicht aus. Mindestens ein Bildwissenschaftlicher Blick muss hier hinzugezogen werden. Man muss sich in Geschichte, politischer Ikonografie, Bildanalyse und Theorien des Kollektiven Gedächtnisses und Erinnerungskulturen auskennen, um das Video hinreichend besprechen zu können.

Es ist meine Vermutung, dass dieses Lied der Bedeutungslosigkeit anheim fallen wird. Rammsteins »Deutschland« ist Provokation, es ist eben kein »Die Moorsoldaten«, kein Konstantin Weckers »Vaterland« und hat schon gar nicht die Emotionalität all der politischen Liedermacher, die mit ihrer Kunst tatsächlich etwas bewirken wollten.

https://www.zeit.de/kultur/musik/2019-03/rammstein-video-deutschland-provokation-holocaust-sexualitaet/komplettansicht

https://www.youtube.com/watch?v=NeQM1c-XCDc

https://www.youtube.com/watch?v=dYF-LWTvxdA

https://www.youtube.com/watch?v=_14n16KGyDI

Unter falscher Flagge

Bereits eine oberflächliche Recherche in online-Kleinanzeigen unter dem Stichwort Klavier fördert eine ganze Reihe an Ergebnissen zutage. Menschen, die geerbte oder mit Immobilien erworbene Instrumente besitzen, stellen hier ihre mehr oder minder erhaltenen Pianos zum Verkauf. Unter ihnen sind namhafte, wie heute unbekannte Hersteller. Aber ebenso häufig finden sich auch Instrumente, die keinerlei Auskunft über ihren Schöpfer geben.

Für uns sind besonders jene Instrumente interessant, die in Verbindung mit Th. Mann & Co. oder der Vorgängerwerkstatt von C. W. Volkening stehen. Doch auch hier kommt es vor, dass Plaketten mit Firmenschriftzug verloren gehen oder der Firmenname mit Farbe oder Lack überlagert werden.

Eine besondere Herausforderung stellen kleine Metallschilder dar, welche zahlreiche Instrumente fraglicher Auswahl zieren. Meist im Inneren angebracht, finden sich flache, etwa zwei Zentimeter breite und vier Zentimeter lange Schilder aufgenagelt. Sie sind geprägt mit Schrift in drei Zeilen. Zuoberst der Firmenname „Th. Mann & Co.“ in einer Serifenfraktur. Danach die Abkürzung „No„, gefolgt von einem querrechteckigen Feld, das eine vierstellige Nummer trägt. Die unterste Zeile trägt den Stadtnamen „Bielefeld“, gerahmt zu beiden Seiten von einer Art Stern oder Blüte, bestehend aus sechs kreisförmig angeordneten Tropfenformen, deren Spitzen ins Zentrum zeigen. In der Gestaltung finden sich keine Variationen. Jedoch scheint auf einigen Schildern ein breiterer Schriftsatz Verwendung zu finden. Es kann auch auf einen anderen Prägestock hinweisen.

Plakette auf einem nach 1895 entstandenen Reformpianino.

Die Funktion dieser Plakette ist unbekannt. Die aufgeprägten Zahlen scheinen fortlaufend zu sein, denn keine bisher gefundene Zahl gleicht der anderen. Zudem können sie frühestens ab Eintritt Hermann Steinhaus genutzt worden sein – darauf deutet das „& Co.“ hin. Noch fanden sich keine Schilder ohne diese Ergänzung. Auch handelt es sich nicht um die Seriennummer. Diese ist spätestens ab den 1880er Jahren und ab der Seriennummer 4235 als Bestandteil des Eisenrahmens gegossen und weicht stark von den Zahlen der Plaketten ab. Die Nummerierung der Plaketten springt zudem durch die Jahrzehnte.

Plaketten-nummerDatierungSeriennummer oder Form der Datierung
3057um 1905Aufgrund des Schriftzugs.
3136um 1908 (1905-1906)[14275] J. Großbach: Atlas der Pianonummern (die zweite Datierung aufgrund der Mechaniknummer).
3165um 1908 bis 1910Aufgrund des Schriftzugs und Logos.
3182um 1908[14558] J. Großbach: Atlas der Pianonummern.
3261nach 1894
bzw.
um 1908
Patent Wagner DRP 76946 und Artikel Zeitschrift für Instrumentenbau Bd. 16 1895/96 , S. 442.
Aufgrund des Schriftzugs.
3309um 1908Aufgrund des Schriftzugs.
3395um 1910Aufgrund des Schriftzugs.
3527vor 1910Aufgrund des Logos.
3670um 1910[16472] J. Großbach: Atlas der Pianonummern.
4020evtl. vor 1874Ohne Herstellername, aber aufgrund der Ähnlichkeit zu einem anderen Th. Mann-Piano als solches klassifiziert.
4087nach 1913Aufgrund des Achtecklogos.
4227nach 1927[18582] J. Großbach: Atlas der Pianonummern.
4287um 1900Aufgrund des Schriftzugs.
4386nach 1930Aufgrund des Schriftzugs „Mannola“.

Eine Tendenz ist erkennbar und die drei Ausreißer können andere Ursachen haben: Rückankäufe oder alte Lagerbestände. Jan Großbach wies darauf hin, dass es sich hierbei um eine gesonderte Nummerierung von Mietinstrumenten handeln könnte. Allerdings bedeute dies, dass ein Viertel der Instrumente von Th. Mann & Co. als Mietinstrumente in den Handel gingen.

Dennoch sind sie Zeugnis einer Verbindung zwischen Instrument und Fabrik. Dergleiches gilt für ein Harmonium der Firma Mannborg, deren Schriftzug durch eine Markenplakette von Th. Mann & Co. überdeckt wurde.

Vermeintliches Th. Mann & Co. Harmonium.

Bei näherer Betrachtung offenbarten sich erste Zweifel an dieser Einschätzung. Sowohl die Zierleiste der Pedale war mit dem Mannborg-Schriftzug versehen, wie auch das rückseitig aufgebrachte Patentblatt.

Das Entfernen der aufgeschraubten Th. Mann & Co. Plakette gab dann Gewissheit. Hierunter trat der originale Mannborg-Schriftzug zu Tage.

Mannborg-Schriftzug unter Th. Mann & Co.-Plakette.
Rückseite des Firmenschilds auf einem Harmonium
Rückseite der Th. Mann & Co.-Plakette. Gedruckt durch F. Josephson, Barmen.

Die Datenbank der Reed Organ Society verzeichnet für ein Mannborg-Harmonium mit der Seriennummer 13881 die Jahre 1905 bis 1910 als Entstehungszeitraum. Da dieser Zeitraum in die Hochphase der Produktionsbedingungen von Th. Mann & Co. zählt, als sie ihre namhaften Instrumente in alle Welt exportierten, ist es umso verwunderlicher, dass hier scheinbar ein Mannborg-Harmonium zu einem Mann-Harmonium umgewidmet wurde.

Auf Instagram findet sich ein Bild eines weiteren (vermeintlichen) Th. Mann & Co.-Harmoniums, das die gleiche Plakette aufweist. Auch hier legt die Gestaltung der Medaillen die Vermutung nahe, dass es sich ebenfalls um ein Mannborg-Harmonium handelt.

Ein Beitrag geteilt von João Tavares Filho (@joaotavaresfilh) am Sep 4, 2017 um 6:55 PDT

Entsprechende Plaketten ließen sich auf noch keinem Th. Mann & Co. Klavier oder Flügel nachweisen. Obwohl punktuelle Ähnlichkeiten zu auf Klavieren genutzten Schrifttypen existieren, ist diese spezielle Type und auch die Setzung in nur einer Zeile bislang einzigartig.

Eine besondere Kuriosität tat sich auch mit einem Klavier auf, das den Schriftzug „Mannola“ auf der Innenseite des Klaviaturdeckels zeigt.

Mannola-Klavier.

Im Deutschen Markenartikel Adressbuch der Jahre 1932/33 wird für die Marke „Mannola“ vermerkt, dass sie, auf Klaviere angewendet, als eingetragenes Markenzeichen von Th. Mann & Co. gilt. Somit scheint es sich hier eindeutig um ein Th. Mann & Co.-Klavier zu handeln. Auch die kleine Metallplakette legt eine Verbindung zur Bielefelder Fabrik nahe.

Metallplakette unbekannter Funktion von Th. Mann & Co. im Inneren des Mannola-Klaviers.

Damit enden die Hinweise auf Th. Mann & Co. Der Eisenrahmen trägt ein untypisches Logo, das in dieser Form in keiner Weise mit der Bielefelder Fabrik in Verbindung steht. Die aufgeprägte Seriennummer von 36074 liegt weit oberhalb der höchsten für Th. Mann & Co. verzeichneten Nummer von 20000 (1938). Leider ist auch die Mechanik mit der Nummer 36004 ohne Herstellernamen, was eine Datierung erschwert.

Wappen oder Logo auf dem Eisenrahmen des Mannola-Klaviers.

Das Logo zeigt einen Doppeladler mit ausgestreckten Schwingen und Gegenständen in den Klauen, die Zepter und Reichsapfel darstellen könnten. Über beiden Häuptern findet sich etwas, das eine Krone darstellen könnte. Damit ähnelt es dem Wappen des k.u.k. Hoflieferanten, wie es zum Beispiel auch Wilhelm Spaethe sen. führen durfte. Dennoch ist die Ausführung zu grob und die Darstellung des zentralen Schilds hebt sich von der des k.u.k.-Wappens ab.

Bezeichnung „333 / I / 14“ auf dem Eisenrahmen des Mannola-Klaviers.

Es besteht die Möglichkeit, dass es sich hierbei um ein generisches Wappen ohne Bedeutung handeln könnte, das am unterschiedliche Herstellern geliefert wurde. Die grobe Ausführung sprechen dafür.

Entsprechend kryptisch bleibt auch die Bezeichnung am Fuß des Eisenrahmens. In drei Zeilen stehen dort die Zeichen „333“, „I“ oder „1“ und „14“.

Seriennummer 36074 auf dem Resonanzboden des Mannola-Klaviers.
Mechanik Nr. 36004 des Mannola-Klaviers.

Angesichts des umgewidmeten Mannborg-Harmoniums, lag die Möglichkeit nahe, dass auch dieses Instrument ursprünglich von einem anderen Hersteller fabriziert wurde, um dann durch Th. Mann & Co. mit einem eigenen Schriftzug versehen zu werden. Es lag also nahe, auch diesen Schriftzug zu entfernen.

Da hier keine Schrauben Verwendung fanden, musste vorsichtig der Gluteinleim mit einer Heißluftpistole gelöst werden.

Die Enttäuschung war groß, als sich unter der aufgeleimten Holztafel kein Fremdherstellername offenbarte. Viel interessanter war jedoch, dass sich unbehandeltes Holz zeigte. Dies deutet darauf hin, dass Th. Mann & Co. das Klavier zusammengesetzt und anschließend gebeizt/lackiert haben, nachdem das Mannola-Schild aufgebracht wurde.

Es ist zu vermuten, dass Th. Mann & Co. nach 1930, als die Fabrikation bereits auf das Stammhaus am Oberntorwall 29 reduziert wurde und die Fabrikhallen in der Friedenstraße aufgegeben wurden, Ihre Instrumente weitestgehend aus eingekauften Bestandteilen zusammensetzten.

Das zeitlich Ungewisse

Ungemein hilfreich für eine Datierung von historischen Instrumenten ist ein umfangreich erhaltenes Firmenarchiv, das Aufschluss über den Entstehungszeitraum von einzelnen Klavieren oder Flügeln anhand ihrer Seriennummer gibt.

Leider wurde die Fabrik Th. Mann & Co. in den letzten Kriegsjahren Opfer von Bombenabwürfen der Alliierten, welche die gesamte Bielefelder Innenstadt verheerten. Damit gingen vermeintlich auch sämtliche Produktions- und Rechnungsbücher verloren. Gleichfalls ist es unmöglich noch lebende Personen zu treffen, die sich an die späte Phase der Fabrik und ihre Produktionsbedingungen erinnern können, geschweige denn Auskunft zu geben vermögen über Herstellung von Klavieren im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Neben existierenden Rechnungen in privater und öffentlicher Hand, die Zeugnis vom Jahr der Herstellung eines Instruments ablegen, sind Inschriften mit Jahreszahlen und Aufdrucke von Medaillen hilfreich, ein Herstellungsjahr einzugrenzen. Weiterhin lassen sich Zeiten durch Datierung der Klaviermechanik eingrenzen. Jan Großbach weist in seinem „Atlas der Pianonummern“ (11. Auflage 2009, S. 17 – 25) darauf hin, dass Mechaniken in weitaus höherer Stückzahl produziert wurden, was eine Eingrenzung ihres Entstehungszeitraums vereinfacht.

Bereits im späten 19. Jahrhundert entwickelten sich Spezialisierungen und nicht länger wurden sämtliche Bestandteile von Klavieren aus einer Hand gefertigt. Zulieferer übernahmen die Produktion von Mechaniken und dekorativen Bauteilen, wie Konsolen oder Bildelemente.

Bereits diese Gegenüberstellung ließe es zu, grobe Datierungen vorzunehmen; unter der Voraussetzung, man kann das Vergleichsobjekt relativ zielgenau einordnen. In diesem speziellen Fall leider nicht umsetzbar.

Ein Blick auf die Mechanik, liefert im Fall des Mann-Klaviers zweierlei Informationen. Einerseits den Hersteller Schwander, samt Seriennummer (95044) und, obendrein ein Vermerk von Auszeichnungen während Ausstellungen in Paris 1867 und Wien 1873. Damit liegt nahe, dass die Mechanik nach 1873 gefertigt wurde.

Doch gerade die Medaille der Wiener Ausstellung birgt besonderen Sprengstoff. Die Firmenplakette auf der Innenseite des Klaviaturdeckels benennt Theophil Mann als Produzenten, was darauf hindeutet, dass dieses Klavier entstand, bevor Hermann Steinhaus als Teilhaber in die Fabrik eintrat und Th. Mann zu Th. Mann & Co. wurde. Da in zahlreichen Publikationen hierzu aber das Jahr 1872 genannt wird, sind dreierlei Schlüsse denkbar: Die Mechanik wurde nachträglich ausgetauscht, Klaviere wurden auch nach Eintritt H. Steinhaus noch unter Theophil Mann vertrieben oder die Gesellschaft Th. Mann & Co. wurde erst nach 1873 gegründet.

Firmenplakette auf Klavier Nummer 1008.

Für den französischen Hersteller Schwander, der ab 1844 produzierte, verzeichnet der „Atlas der Pianonummern“ als früheste Seriennummer 205194 von 1883. Mit großer Ungewissheit könnte die im Mann-Klavier verbaute Mechanik damit um 1875 gefertigt worden sein. Zumindest im Abstand zur frühesten für Th. Mann & Co. verzeichneten Nummer 9983 für das Jahr 1901 ist das plausibel.

Da aktuell keine Archivbesuche möglich sind, muss eine Bestätigung in anderer Form erfolgen. Glücklicher Umstand ist die digitale Entwicklung und öffentliche Bestrebungen, Archivalien nachhaltig für eine große Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Seite zeitpunkt.nrw versammelt eine Vielzahl digitalisierter Zeitungen aus Nordrhein-Westfalen, darunter auch zahlreiche aus Bielefeld.

Am. 8. November 1874 erscheint im Bielefelder Wochenblatt eine Übersicht der letzten Einträge und Veränderungen des Handelsregisters für Bielefeld. Hier liest man von der Löschung der unter Nummer 501 geführten Firma „Th. Mann“ aus dem Firmenregister und der zeitgleichen Aufnahme der Firma „Th. Mann & Co.“ im Gesellschaftsregister unter Nummer 253.

Bielefelder WOchenblatt vom 8.11.1874.

Bezeichnend ist, dass ab diesem Zeitpunkt sämtliche Anzeigen der Firma mit Th. Mann & Co. unterzeichnet wurden, was wahrscheinlich macht, dass dies auch auf den Instrumenten konsequent umgesetzt wurde. Bereits knapp zwei Wochen später erscheint ein Stellengesuch von Th. Mann & Co. in derselben Zeitung.

Bielefelder Wochenblatt vom 25.11.1874.

Entsprechend sind alle Anzeigen vor dem 8. November 1874 durchweg mit Th. Mann unterzeichnet. Diese sind überdes von besonderer Bedeutung, als sie eine patentierte Formfindung zur Steigerung der Stimmfestigung von Klavieren durch Theophil Mann benennen.

Bielefelder Wochenblatt vom 9.5.1874.

Bei diesem Patent handelt es sich wohl um das im Mai 1874 erteilte Patent „auf eigentümliche Anordnungen an Pianos und Flügeln“, deren Verfahrensakte, samt Zeichnungen im Landesarchiv Baden-Württemberg aufbewahrt wird.

Landesarchiv Baden-Württemberg E 170 a Bü 1746 Bild 1.

Eben diese Konstruktion eines geneigten Stimmstocks findet sich auch an Klavier Nummer 1008 umgesetzt.

All diese Hinweise legen als Entstehungszeitraum des Th. Mann Klaviers Nummer 1008 die Zeit zwischen Mai 1874 und November 1874 nahe. Zur Patenterteilung an Theophil Mann erschien am 2. Mai im Bielefelder Wochenblatt eine Notiz, in der es am Ende heißt:

Die Fabrik vollendet in nächster Zeit ihr 1000. Pianino.

Bielefelder Wochenblatt vom 2.5.1874.
Bielefelder Wochenblatt vom 2.5.1874.

Durch einen glücklichen Umstand erhielt sich in Vlotho ein mehr als 140 Jahre altes Klavier, das in mehrfacher Hinsicht Zeuge einer besonderen Zeit der Bielefelder Flügel- und Pianofabrik Th. Mann & Co. darstellt.

Th. Mann Klavier Nummer 1008 vom Mai/Juni 1874.

Kuriositätenkabinett – Teil 3

Werbung oder was?

Heutzutage kennt man Klickbait-Werbung, Schleichwerbung oder Productplacing und zahlreiche weitere Formen, um die Aufmerksamkeit von Konsument*innen zu erhalten. Gemeinhin mag angenommen werden, die lockenden Formen von Werbung sind Ausdruck eines modernen Kapitalismus.

Doch weit gefehlt, bereits im 19. Jahrhundert traten zahllose Variationen von Annoncen auf, welche Leser*innen neugierig auf kommende Veranstaltungen machen sollten.

Westfälische Zeitung, 27. Oktober 1884.

Ist es eine Warnung? Eine Ankündigung? Oder gar eine Drohung? Wie stark sich subjektive Eindrücke von geschriebener oder gesprochener, gar gesungener Sprache verändern können, zeigt sich an dem jeweiligen Kontext ihres zeitlich nachfolgenden Gebrauchs.

Paul Carell, geboren 1911 als Paul Karl Schmidt und unter dem NS Regime als Diplomat tätig, schrieb in der Nachkriegszeit zahlreiche Sachbücher und Artikel für Zeitungen und Zeitschriften. Der Antisemit und SS-Sturmbannführer veröffentlichte unter dem Titel „Sie kommen!“ eine Rekapitulation der Invasion in der Normandie 1944 und setzte damit implizit ein Bedrohungszenario mit der historischen Befreiung des Europäischen Kontinents gleich. Der NS-Propagandist beeinflußte mit seinen Büchern eine ganze Generation und prägte das Bild vom Krieg nachhaltig. Als Berater hatte Carell/Schmidt Kontakt zu Politikern und Verlegern.

In anderem Kontext wird der Begriff in gleichfalls bedrohlichen Unterton durch die Band Knorkator gebraucht. Es ist unklar, worauf die Musiker anspielen. Im Interview geben sie an, bewußt auch auf die Agitationen von AfD, NPD und anderen Rechten anzuspielen.

In weniger politischem Kontext taucht der Bedrohungsunterton in Madeleine Roux‘ Zombie-Roman „Sie kommen!“ auf. Während das Zombie-Genre durchaus als apolitisch, vielleicht sogar anti-politisch, gar anarchistisch daherkommt, ließe es sich aber auch als personifizierter Ausdruck der Angst vor dem Unbekannten deuten. Die Furcht vor einem Virus, das sich quasi greifbar zu Zombies manifestiert und somit eine Pandemie sinnlich erfahrbar macht und körperlich steuerbar erscheinen lässt – wenngleich viele Filme und Serien eher das Gegenteil suggerieren. Ein interessantes Gedankenspiel vor der aktuellen Corona-Pandemie.

Westfälische Zeitung, 28. Oktober 1884.

Auch der zweite Teil der Werbereihe bereitet mehr Fragen, denn er beantwortet. Der serielle Charakter wird hier ebenso deutlich, wie seine Cliffhanger-Eigenschaften. Man fühlt sich geradezu genötigt, die Geschichte weiter zu verfolgen. Und darin steckt offenbar auch die Essenz solcher Annoncen begründet. Sie sind nicht als Ankündigungen gedacht, sondern bewußt als fiktive Geschichten konzipiert und fallen damit nicht länger in das Faktische, sondern Fiktive.

Lässt man zunächst außer Acht, dass heutzutage sämtliche Produkte in ein fktives Gerüst gespannt werden, um einer gewissen Lebensweise zugesprochen zu werden, damit sie einer Zielgruppe attraktiv erscheint, mag dies im ausgehenden 19. Jahrhundert auch Ausdruck der Zeit sein. Die Konstituierung des Deutschen Reichs als einheitlicher Nationalstaat liegt nur wenig mehr als eine Dekade zurück. Und gerade die Geschichte „Deutschlands“ wird, als geografisch gefasster Raum mitsamt seiner Historie bis zurück in antik-römsiche Zeit für viele Jahrzehnte mit dem Nationalstaat gleich gesetzt, wodurch eine fiktive Geschichte „Deutschlands“ erzählt wird, die es so nie gegeben hat.

Zu den prägensten Formen für die Erzählung „Deutschland“ kann das Hermannsdenkmal bei Detmold gezählt werden. Einer historischen Figur wird das Label „Deutsch“ gegeben, weil es zum selbstgewählten Bild des „Deutschtum“ passte.

Mitnichten soll dies andeuten, in den hier gezeigten Anzeigen sei eine politische DImension angelegt. Beidem ist lediglich die Fiktionalität von Erzähltem, bzw. Gezeigtem gemeinsam.

Westfälische Zeitung, 29. Oktober 1884.

Wer auch immer dieser Professor Orleans sein soll. Auch die Funktion Antispirist bleibt genauso unbekannt, wie die inserierte Veranstaltung der „Original-Geister“. Die nachfolgenden Ausgaben blieben einen Bericht dieser (vermeintlichen) Aufführung schuldig.

Momentan ist unklar, ob die historischen Tatsachen dieser Fiktion offenbart werden können, doch als Kuriosum mag das vielleicht auch irrelevant sein.

Firmenschilderwald

Versuch einer Typologie

Bereits früh in den Recherchen zu erhaltenen Instrumenten der Bielefelder „Flügel- und Pianofabrik Th. Mann & Co.“ zeigte sich, wie variationsreich ihre Gestaltung von Instrumenten, Werbematerialien und eben ihres Corporate Design war.

Allem voran stand der überall präsente Firmenschriftzug, der auf den Fabrikerzeugnissen einen großen Gestaltungsreichtum offenbarte.

Aus Blickwinkel eines Historikers kommt der Erfassung dieser Unterschiede der Zustand zugute, dass die Fabrik nicht länger existent und damit seit nunmehr etwa 80 Jahren keine Instrumente mehr herstellt werden. Insofern ist der Forschungsgegenstand endlich.

Aus einem Konvolut an 58 fotografisch erfassten Klavieren sind von 40 die Seriennummern bekannt, wodurch sich zumindest eine relative Entwicklungsreihenfolge festmachen lässt. Auf Basis Jan Großbachs „Atlas der Pianonummern“ lässt sich erst ab 1901 und einer Seriennummer um 9983 eine halbwegs gesichterte Datierung anhand der Seriennummern durchführen. Für die Zeit vor 1900 fehlen gesicherte publizierte Informationen.

Ein erster Blick auf die Firmenschriftzüge offenbart in der Tat eine Gestaltungsgenese. Bei näherer Betrachtung erschließen sich die komplexen Nuancen wohl temperierter Veränderungen. Nicht immer eindeutig ist zu entscheiden, ob ein Unterschied Resultat bewußter Entscheidung oder handwerklicher Variationen durch Mitarbeiterwechsel darstellt.

Nach welchen Kriterien ließe sich also eine Typologie der Firmenschriftzüge anfertigen? Anhand der bisher greifbaren Instrumente und verfügbaren Abbildungen können fünf Merkmale benannt werden. Diese sind hinreichend, um Gruppen an Schriftzuügen zu identifizieren.

Schrifttype, Ort der Anbringung, Form der Anbringung, Informationsgehalt und Dekoration.

Hierbei ist die Schrifttype der gewichtigste Faktor, gefolgt vom Informationsgehalt. Nachrangig sind Ort und Form der Anbringung, sowie die beigefügte Dekoration.

Auf den 58 Einzelinstrumenten finden sich neun unterschiedliche Schrifttypen. Vereinzelt lassen sich unselbstständige Variationen ausmachen, die sich voneinander marginal durch dekorative Formen oder Auslassungen abheben. In Bezug auf die Klaviere und Flügel nach 1910 ist eine weitestgehende Kontinuität feststellbar, die in nur zwei Fällen – bei drei Instrumenten, gebrochen wird. Orte der Anbringung sind stets die Mitte des Klaviaturdeckels unterhalb vom Notenhalter oder die Zierleiste. Dagegen zeigt sich die Form der Anbringung und beigefügte Dekoration, bzw. deren Auslassung ein größeres Spektrum.

Als Typ 0 in zwei bekannten Variationen wird das Markenlogo der Vorgängerwerkstatt von C.W. Volkening bezeichnet. Typ 0 a ist eine Prunkfassung, wie an dem sogenannten Liszt-Flügel in der Sammlung des Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig. Typ 0 b ist die Gestaltung eines zweireihigen, teils in Messing gefertigten Schriftzugs innerhalb eines rechteckigen Messingrahmens, bestehend aus «C. W. Volkening» über einem kleiner gesetzten «Bielefeld». Die Schriftart ist eine als „Western“ ansprechbare Serifentype. Diese Form des Markenschriftzugs findet sich an einem Flügel und einem Klavier in Privatbesitz in Brakel und Bielefeld.

Werkstattemblem von C.W. Volkening auf dem Klavier mit der Seriennummer 154 in Privatbesitz in Bielefeld.

Typ I

Auf dem Klavier mit der Seriennummer 605, einem stark beanspruchten und unfachkundig überarbeiteten Instrument Ist der Schriftzug „Theophil Mann / Bielefeld.“ in Kapiteln einer dekorativen serifenbetonten Schrift zweireihig gesetzt. Das «Bielefeld» der unteren Zeile ist beidseitig begleitet von s-förmigen liegenden Doppelvoluten. Die Lettern aus eloxiertem Metallblech sind einzeln innerhalb eines vorbereiteten langrechteckigen Furnierstreifens eingelegt und mit dem restlichen Tastendeckel verbunden worden.

Firmenschriftzug auf dem Klavier Nummer 605, entstanden um 1865.

Typ II (sog. Grundtyp II)

Bereits auf dem Instrument Nummer 1008 zeigt sich eine deutliche Veränderung. Schriftarten und Aufsatzform wurden verändert und inhaltlich durch weitere Infomationen ergänzt; als eine Art dekorative Plakette auf den Tastaturdeckel aufgeschraubt. Beibehalten wird die Zweizeiligkeit und der Einsatz zweier unterschiedlicher Schrifttypen. Diese Form des typografischen Kontrasts findet man hernach mehrfach in unterschiedlicher Form umgesetzt. Der Markenname «Theophil Mann, Bielefeld.» ist in einer Art Texturschrift mit kalligraphischer Ausdekorierung gesetzt und hebt sich von der darüber liegenden serifenlosen Antiquaschrift ab. Hier sind die beiden in Kapiteln gefassten Wörter «Patente – Medaillen» durch eine horizontale Dekorlinie voneinander abgegrenzt. Umrahmt werden beide Zeilen von einer feinen rechteckig gesetzten Linie, welche auch die fünf Schrauben einfasst.

Firmenschriftzug auf dem Klavier Nummer 1008, entstanden um 1873.
Varianten

Es existieren drei Varianten dieser Form, die sich mehr oder weniger durch Inhalt und Gestaltung unterscheiden.

Typ II a

Die erste Variante findet sich auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer, unterscheidet sich aber vom Grundtyp II nur darin, dass statt der Firmenbezeichnung «Theophil Mann, Bielefeld.» nun «Th. Mann & Cie, Bielefeld.» zu lesen ist. Dies geschah infolge des EIntritts Hermann Steinhaus als Teilhaber.

Auf der Plakette wurden die gleichen Schriftarten genutzt. Einzig die obere Zeile ist leicht größer gesetzt. Auffällig und hervorzuheben ist auch die Anhebung der Grundlinie und doppelten Unterstreichung des «ie» bei der Abkürzung des Begriffs «Companie»

Plakette auf einem Klavier nach 1873.
Typ II b

In leider nur unscharfer Abbildung findet sich eine Variante als Amalgam aus Typ I und Grundtyp II gefertigt, die vermutlich vor letzterem entstanden ist, da es noch den Schriftzug «Theophil Mann» trägt und «Patente – Medaillen» fehlt.

Es lässt sich erahnen, dass die Schriftarten von Grundtyp II Verwendung fand, der Inhalt wiederum zweizeilig in der Weise von Typ I gesetzt wurde und die Plakette scheinbar hell rechteckig gerahmt mit vier Schrauben befestigt wurde.

Plakette auf einem Klavier vor 1873.
Typ II c

Aufgrund der Seriennummer ist bekannt, dass diese Plakette nach 1873 entstand, aber Formen des Typ II b aufgreift. In der zweireihigen Gestaltung begleiten den Firmennamen und Ort ebenfalls die Begriffe «Patente» und «Medaillen«, diesmal als Rahmung der Ortsangabe «Bielefeld» in der unteren Reihe. Schriftarten sind dem Grundtyp II entlehnt. Die Ortsangabe rahmenden Begriffe sind typografisch kleiner gesetzt und scheinen wie dieser mit einem Punkt abgeschlossen zu sein.

Plakette auf dem Klavier mit der Seriennummer 1277, entstanden nach 1873.

Da sich die Schildtypen II b und II c auf schwarz gefassten Instrumenten befanden, ist nicht gesichert, ob die Variationen nicht auch aufgrund der Bauweise der jeweiligen Instrumente gewählt und eingesetzt wurden.

Typ III a & b

Eine besondere Variante, von der nur jeweils ein Exemplar bekannt ist und keine Seriennummern auskunft über die zeitliche Orientierung liefern, sind zwei direkt in das Furnier/Holz eingelegte Schriftzüge, die sich voneinander durch dekorative Entscheidungen absetzen, und sich gemeinsam in ihrem von Typ II andersartigen Schriftsatz auszeichnen. In ihrer Ausführung unterscheiden sie sich von den zuvor genannten durch ihr Material. Die Lettern sind nun in Messing gefertigt.

Aufgrund der typographischen Ähnlichkeit zu Typ II wurde dieser Gruppe in Anschluss an jene sortiert. Sollte sich jedoch die Seriennummer vom Beispiel des Typ III a bestätigen, dann würde diese Gruppe insgesamt wohl zeitlich hinter Typ V einzuordnen sein und wäre damit typographisch ein Rückgriff.

Typ III a weist noch die kalligraphischen Schwünge der Serifenendungen von Typ II auf, setzt sich aber ansonsten in eher gestrenger Frakturschrift von dem vorhergehenden Typus ab. Auffallend ist die horizontale Betonung des Initial-«M», sowie die weit nach oben gezogenen Lettern «ie» der Companiekürzung und den darunter gesetzten Punkt.

Eingelassener Schriftzug auf einem Klavier mit nicht gesicherter Seriennummer 6905.

Typ III b verzichtet weitestgehend auf weit geschrungene kaligrafische Serifenendungen und reduziert diese auf kleine zwigespaltene Bogenenden oder Ecklösungen. Hervorzuheben ist hier die einzeilige Unterstreichung und Punkt der mittig hochgezogenen Buchstaben «ie».

Eingelassener Messingschriftzug auf einem Klavier mit unbekannter Seriennummer.

Typ IV a & b

Dieser Typ existiert in zwei Varianten und zeichnet sich durch seine Western-Schriftart in Kapiteln aus. Auffällig sind die zwigespaltenen Serifen, beziehungsweise die oberen und unteren horizontalen Endzonen, sowie die horizontale, mittige Betonung durch nach rechts und links ausgreifende Zwickel. DIe Schriftart besitzt unterschiedlich breite Linien der einzelnen Lettern. Die Abkürzung des „Companie“ weist eine ähnliche Setzung auf, wie Typ III b.

Die Besonderheit von Typ IV a ist die Aufsetzung in Form eines undekorierten erhabenen rechteckigen Felds mit konvex gerundeten seitlichen Rändern.

Messingschriftzug auf Klavier Nummer 3247.

Gegenüber dem vorhergehenden Typ wurde Typ IV b auf die Zierleiste aufgebracht, besitzt andererseits die gleiche Gestaltung. Dieser Typ findet sich auch auf dem in der Sammlung des Musikinstrumentenmuseums Brüssel befindlichen Klavier.

Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 4235.
Schriftzug auf der Zierleiste eines Klaviers mit unbekannter Seriennummer.

Typ V

Eine besondere Stellung nimmt dieser Typus ein, da er nicht nur eine aufgenagelte Metallplakette in Form einer mehrfach gebrochenen, symmetrischen Kartusche und ausgestattet mit einer komplexen figürlich-dekorativen Darstellung ist, sondern in gleicher Form auch auf dem Eisenrahmen von Klavier Nummer 3247 auftauchte.

Der eingesetzte Schriftschnitt ist eine serifenlose Antiqua in Kapitellen. Die Abkürzung «Cie» weist abermals weit hinauf gezogene und doppelt unterstrichene Buchstaben «ie» auf. Firmenname und Firmensitz sind beiderseits des Bildwerks gesetzt, welches wiederum halbbogenförmig durch «Patente • Medaillen» unterfangen ist.

Die Kartusche besitzt eine längliche, mehrfach gebrochene Form, deren Rand zweifach profiliert ist und an acht Stellen aufgenagelt wurde. Die Fläche, aus der Bildwerk und Schriftzüge herausstehen ist punktiert.

Das Bildwerk ist eine nahezu detailgetreue Abbildung des auch durch das „Bielefelder Kreisblatt“ (1857–1864), sowie die Nachfolgeblätter „Bielefelder Wochenblatt“ (1864–1876) und Bielefelder Tageblatt (1876–1883) genutzte Darstellung. In Teilen taucht sie bereits in „Öffentliche Anzeigen der Grafschaft Ravensberg • Kreisblatt des Kreises Bielefeld“ ab der ersten Ausgabe des Jahres 1829 auf. Und in verschiedenen reduzierten Varianten wurde es auch ab Ende 1883 in „Westfälische Zeitung • Bielefelder Tageblatt“ eingesetzt.

Das zentrale Motiv, ohne die dreischwüngige Girlande, bestehend aus der zweitürmigen Toranlage mit Fallgatter und eingestelltem Wappenschild mit Sparren und geflankt von steigenden Löwen diente in dieser spezifischen Gestaltung auch als offizielles Wappen der Stadt Bielefeld, insb. des Magistrats der Stadt Bielefeld, wie es z.B. auf Siegelmarken auftaucht und in Variation auch publiziert ist in: Abadie (Hg.), Flaggen und Wappen der Welt, Wien, 1928, Kapitel 13, Wappen der wichtigsten Städte (II), Nr. 952.

Firmenplakette auf dem Klavier mit der Seriennummer 6492.

Typ VI

Zu dem vorhergehenden Typ existieren zahlreiche Gestaltungsparallelen. Dennoch sind die Unterschiede deutlich größer. Der Firmenschriftzug ist nun in die Zierleiste geschnitzt, wobei die Buchstaben aus einer vertieften rechteckigen Fläche mit halbkreisförmig ausgebuchteten Seitenkanten herausstehen. Die Schriftart ist eine schlichte Serifen-Antiqua.

Die seitlichen halbkreisförmigen Ausbuchtungen und die punktierte Fläche ähneln der Gestaltung von Typ V.

Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 8128.
Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 8532.
Schriftzug auf der Zierleiste von Klavier mit der Seriennummer 9631, entstanden um 1900.

Typ VII

Mit zwei Untergruppen und zahlreichen Variationen nimmt Typ VII die größte Typengruppe ein, die bis dato identifiziert werden konnte. Gleichzeitig muss deutlich gemacht werden, dass dies auch aufgrund der umfangreichen Datenbasis geschuldet sein kann und weitere Recherchen zusätzliches Material für die vorhergehenden Typen hervorbringt.

[wird fortgesetzt]

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